Die aktuelle Entscheidung des Amtsgericht Frankfurt/Main vom 11.08.2020, Az.: 32 C 2136/20 thematisierte die Frage, ob ein Reiseveranstalter verpflichtet ist, den kompletten Reisepreis zurückzuzahlen, wenn ein Kunde den Rücktritt vom Pauschalreisevertrag vor Reiseantritt erklärt und ob dafür die Notwendigkeit einer Reisewarnung erforderlich ist.
Das Amtsgericht Frankfurt/Main entschied, dass eine Pflicht zur Rückerstattung des gesamten Pauschalreisepreises seitens des Reiseveranstalters gegeben ist, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine gesundheitsgefährdende Ausbreitung des Coronavirus im Reisegebiet bestand; eine Reisewarnung im Zeitpunkt des Rücktritts ist jedoch nicht zwingend notwendig.
Was war passiert?
Der Kläger erklärte am 07.03.2020 den Rücktritt vom Pauschalreisevertrag aufgrund des sich bereits zu diesem Zeitpunkt weltweit ausbreitenden Coronavirus. Die Reise sollte am 14.04.2020 nach Italien stattfinden.
In Ermangelung einer Rückzahlung des gesamten Reisepreises, erhob der Kläger die Klage vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht Frankfurt/Main und behauptete, das Rücktrittsrecht ergebe sich aufgrund des Vorliegens unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstände am Bestimmungsort, die die Durchführung der Reise erheblich beeinträchtigen, § 651 lit. h) Abs. 3 BGB. Weiterhin berief er sich darauf, dass einzig relevant wäre, wie sich die Umstände am Reiseziel im Zeitpunkt der Reise darstellen, unabhängig davon, wann der Rücktritt erklärt worden sei.
Die Beklagte vertrat die Ansicht, dass es auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung ankomme, zu dem es vorliegend keine Reisewarnung gegeben habe.
Keine unbedingte Notwendigkeit einer Reisewarnung
Entscheidung: Das Amtsgericht stellt sich auf den Standpunkt, dass es auf den konkreten Rücktrittszeitpunkt ankomme. Wenn zum Rücktrittszeitpunkt die Begebenheiten am Reiseziel bereits als unvermeidbar und außergewöhnlich einzustufen sind, ist ein Rücktritt möglich, ohne das der Reiseveranstalter eine Entschädigung in Form von Stornierungskosten erheben kann.
An die Darstellungen des Reisenden seien – laut Gericht – keine allzu strengen Anforderungen zu stellen.
Fazit: Es besteht keine zwingende Notwendigkeit einer Reisewarnung am Urlaubsort für ein Rücktrittsrecht nach § 651 lit. h) Abs. 3 BGB; vielmehr reicht eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine gesundheitsgefährdende Ausbreitung des Coronavirus oder andere unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände am Zielort im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung aus.
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